September 7, 2008

Wer ist mein Nächster? (Lk 10:29)

Pater Cheriyan Menacherry CMI

Ist es mein Nachbar? Sind es meine Verwandten meine Bekannten – oder gar ein Idol im Sport, im Spiel, in der Musik, im Film ..? All diese sind auch unsere Nächsten – und es ist eigentlich ganz einfach sie zu lieben.

Der Mann, der von den Räubern auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho überfallen wurde (Lk 10:30-37), war nicht ein Verwandter, kein Nachbar, kein Bekannter und kein Idol des guten Samariters.
Der Mann war ein Mensch in Not.
So ist ganz besonders ein Mensch in Not, unser Nächster.
Und es ist nicht einfach, diesen als Nächsten zu lieben.
Denn in dieser Liebe ist ein großes Risiko verborgen: Ich bin ja aufgefordert, die Not zu lindern. Das heißt unter Umständen, mir begegnen Unannehmlichkeiten, ich gerate in Schwierigkeiten, ich muss Opfer bringen … Der gute Samariter hatte sein Geld, und auch seine gute Zeit verloren. Er konnte nicht damit rechnen, jemals sein Geld oder einen Ausgleich für seine Zeit zurück zu erhalten, denn der Überfallene war bewusstlos, mittellos und fremd.

Es geschah vor einem Hindutempel in Indien. In einer Reisegruppe ging einer Frau der Schuh kaputt. Eine Reparatur wurde erforderlich, die Frau hätte sonst nicht weiterlaufen können.
In der Nähe befand sich eine arme Frau, eine Orangenverkäuferin. «Bitte geben Sie mir den Schuh und auch etwas Geld! Ich bringe ihn bald wieder zurück!» So bot sie ihre Hilfe an, nahm den Schuh und verschwand.

Zweifel und Misstrauen regten sich in der Frau, deren Schuh kaputt gegangen war: «Werde ich je Schuh und Geld zurück bekommen?»

Einer aus der Gruppe antwortete. «Warum haben Sie kein Vertrauen zu dieser armen Verkäuferin? Denken Sie daran, wie groß dagegen das Vertrauen dieser armen Frau zu uns ist! Sie hat all ihren Besitz zurückgelassen und ist weggegangen, nur um Ihnen zu helfen!»

Lachend kehrte die Orangenverkäuferin mit dem reparierten Schuh zurück. Sie war vollkommen glücklich. Selbst der Verkauf vieler Orangen hätte ihr nicht eine solche innere Freude verschaffen können.
Die arme Orangenverkäuferin fragt nicht: «Wer ist mein Nächster?» Selbstlos ist sie jedem in Liebe zugetan – und jeder in Not ist ihr Nächster!
«Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.» (Lev 19,18; Lk 10:27).