Yoga und Christentum – wie passt das zusammen?
Johanna Pader
Der Yoga kommt bekanntlich aus Indien. Vermutlich hat er schon mindestens 1000 Jahre vor Christus existiert. Genaue Angaben gibt es nicht. Yoga ist im hektischen Deutschland überaus populär. Er hilft den Menschen, die sich dafür öffnen, den unaufhörlich herumschweifenden Geist zu zähmen. Das geschieht im Wesentlichen über Asanas (Körperhaltungen) verbunden mit Atemübungen (Pranayama). Doch Yoga ist mehr. Er ist vor allem ein geistiger Weg. Die Schöpfung in ihrer Gesamtheit zu achten und zu erhalten, das ist die Philosophie des Yoga. Sie ist anwendbar für alle Menschen, unabhängig ihrer Herkunft und Religion. Nicht selten geschieht es, dass Menschen, die den Weg des Yoga gehen, zu ihren religiösen Wurzeln zurückfinden.
Ein geistiger Führer im Yoga war der Gelehrte Pantanjali (zwischen 200 v. Ch. und 200 n.Ch.) In seinen Yogasutras (Leitfäden des Yoga) fasst er yogisches Wissen methodisch zusammen, das heute noch uneingeschränkt gültig ist. Diese Yogasutras sind nicht von Pantanjali allein aufgestellt, sondern in seinem Sinne weiterentwickelt worden. Aus Respekt vor Pantanjali, sind sie aber nach ihm benannt, eine in Indien übliche Vorgehensweise. Er entwickelte einen acht-stufigen Pfad (ashtanga-marga) als Leitfaden für ethisches Handeln:
1. Stufe: Yamas = Zucht
= sittliches Verhalten, Achtsamkeit gegenüber unseren Mitmenschen /Umwelt
5 Grundsätze bestimmen Yama:
· Ahimsa = Gewaltlosigkeit, Gefühle anderer nicht verletzen, Verzeihen
· Satya = Wahrhaftigkeit, keine Lüge, keine üble Nachrede, keine Obszönität
· Asteya = Ehrlichkeit, Nicht-Stehlen geistiger und materieller Werte, kein Neid
· Brahmacarya = Mäßigkeit im Umgang mit Menschen – auch mit Sexualität – im Denken, in Worten; Bescheidenheit
· Aparigraha = Freigebigkeit, Verzicht auf Überflüssiges, keine Habsucht
2. Stufe: Niyamas = Achtsamkeit gegenüber sich selbst
5 Grundsätze bestimmen Niyama:
· Sauca = Reinlichkeit im Äußeren ► d.h. Körperhygiene und im Inneren ► d.h. kein Hass, keine Missgunst, Schadenfreude, Sorgen, Ängste, besonders was die Vergänglichkeit unseres Körpers angeht.
· Samtosha = Zufriedenheit, Dankbarkeit, Annehmen der eigenen Lebenssituation, Wertschätzung unseres Lebens in allen seinen Aspekten.
· Tapas = Eifer, Bemühen, Disziplinierung wegen eines Ziels, Prozesse der Selbstfindung und Selbstentfaltung zulassen, auch wenn sie anstrengend und unangenehm sind.
· Svadhyaya = Selbststudium, Selbstreflexion darüber, inwieweit unser Verhalten in Einklang mit den heiligen Schriften steht, achtsam unseren inneren Prozess begleiten, geeignete Literatur lesen.
· Isvara Pranidhana = Hingabe an Gott, an den Übungsweg des Yoga – Vertrauen haben, ohne immer alles intellektuell zu hinterfragen – ohne Stolz bescheiden handeln – zufrieden mit dem sein, was man gerade bekommen kann – frei von Eifersucht – gelassen gegenüber Erfolg und Misserfolg – so bleibt man innerlich ungebunden, unempfindlich gegen Frustrationen, auch wenn man handelt und eine entsprechende Reaktion erwartet, die dann nicht eintritt.
3. Stufe: Asanas Körperhaltungen
4. Stufe: Pranayama Atemachtsamkeit /Atemregulierung
5.Stufe: Pratyahara Zurücknahme der Sinne, in die Stille gehen, nicht mehr jedem äußeren Reiz folgen,
6. Stufe: Dharana Konzentration
7. Stufe: Dhyana Meditation
8. Stufe: Samadhi Kontemplation – völlige Verschmelzung – Erleuchtung
Yoga und Christentum – wie passt das zusammen? Mit dieser am Anfang gestellten Frage beschäftige ich mich nun näher vor dem Hintergrund von Pantanjalis Ethik der Yamas und Niyamas:
Die christliche Ethik wird bestimmt durch
– die 10 Gebote als Basis
– die Bergpredigt (BP) als Radikalisierung der ethischen Prinzipien durch Jesus im Sinne des Doppelgebots der Liebe: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Es geht hier nicht um einen makellosen christlichen Lebensstil, dem kaum jemand entsprechen kann, sondern darum, sich an diesem Ideal zu orientieren. Das Bemühen darum zählt als die einzige sinnvolle Lebensgestaltung.
Yamas/Niyamas (Y/N) vermitteln im Wesentlichen dieselben Werte, wie die BP.
Ich wähle mir deshalb einen Aspekt der BP aus und stelle ihm einen vergleichbaren Aspekt aus Y/N gegenüber. Dabei gehe ich bewusst persönlich vor. Ich suche mir Aspekte heraus, mit denen ich Schwierigkeiten habe, an denen ich wachsen kann: nämlich ständig zu verzeihen und allzeit gelassen zu reagieren. In den Aussagen zur Gewaltlosigkeit und Zufriedenheit kann ich Antworten auf meine Fragen finden.
Bergpredigt
Da heißt es in der BP: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes heißen.“ Jesus wird diesbezüglich konkreter: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist, Du sollst nicht töten; wer aber tötet der soll des Gerichtes schuldig sein.“ Ich aber sage euch: Wer (nur) sagt du Narr, der ist des höllischen Feuers schuldig.“
Jesus lässt demnach nicht die kleinste negative Regung gegen einen Widersacher zu. Wie kompromisslos er ist, beweisen folgende Stellen: „Ihr habt gehört, dass da gesagt ist:
– „Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern so dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen , dem biete den anderen auch dar. Und so jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem lass‘ auch deinen Mantel. Und so dich jemand nötigt eine Meile, so gehe mit ihm zwei.“
– „Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet die euch verfluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen…“
Der zitierte Satz geht weiter und erklärt, warum wir so überaus selbstlos handeln sollen: „Auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel; denn er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“
Gott sagt hiermit allen eine gleiche Behandlung zu, den Bösen wie den Guten, den Gerechten wie den Ungerechten. Will er damit sagen, im Grunde sei jeder sowohl gut als auch böse, gerecht wie ungerecht?
Damit ist die kompromisslose Aussage, wir müssen auf jeden Fall unsere Feinde lieben, anderenfalls wartet die Hölle auf uns, relativiert. Denn alle sind wir Menschen, also fehlbar! Wir brauchen an unseren Fehlern aber nicht zu verzweifeln, wir können an ihnen wachsen, wenn wir
– uns selbst nicht dafür verurteilen,
– andere darum bitten, uns zu verzeihen,
– im Gegenzug selbstverständlich auch anderen immer wieder verzeihen.
In der BP steht dazu: „Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler nicht vergeben.“
Yama: Ahimsa
Yama heißt die Regel für Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen im Yoga.
In Ahimsa, ihrem ersten Abschnitt, ist das Thema Gewaltlosigkeit näher spezifiziert. Der Kerngedanke ist: Steht einer in Ahimsa gegründet, so hört in seiner Gegenwart alle Feindschaft auf.
Das heißt: Niemand darf in Gedanken, Worten und Taten verletzt oder geschädigt werden, Leben ist in aller Vielzahl zu achten, physisch und psychisch. – Soweit dieselben kompromisslosen Aussagen wie in der BP. – Neben den Gefühlen anderer müssen auch die eigenen achtsam behandelt werden. So sollen wir uns vor Gewohnheiten hüten, z. B. Alkoholtrinken. Wir leiden, wenn wir darauf verzichten müssen. Und Leid dürfen wir weder anderen noch uns zufügen.
Niyama: Samtosa
Niyama heißt die Regel für Achtsamkeit gegenüber sich selbst im Yoga.
Um Samtosa, die Zufriedenheit geht es in ihrem zweiten Abschnitt. Hier gehören Ahimsa und Samtosa unbedingt zusammen. Bin ich nämlich zufrieden mit dem was ich habe und wie es ist, leide ich nicht und füge auch anderen kein Leid zu. Gelassen kann ich
– die Lebensumstände annehmen wie sie sind,
– mir meine eigenen Unzulänglichkeiten verzeihen und an meinen Aufgaben wachsen, anstatt zu verzweifeln.
Vergleich BP zu Y/N
Die Kernaussagen sind gleich:
a) Absolute Gewaltlosigkeit gegenüber sich und anderen Mitmenschen.
b) Kompromisslos sich selbst und anderen immer wieder verzeihen.
c) Lebensumständen auf jeden Fall gelassen begegnen.
Dazu steht in der BP: „Sorget euch nicht für euer Leben… Darum sorget nicht für den anderen Morgen; denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.“
Nach Samtosa hat alles in unserem Leben seinen Sinn, auch wenn wir ihn noch nicht erkennen können. Es muss nicht immer nach unseren Wünschen gehen.
IV. Fazit
Es ist notwendig nach folgenden Idealen zu streben, sich ihnen so gut es geht wenigstens anzunähern:
1. Dem Verzeihen,
– BP: Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welcherlei Maß ihr messt, wird euch gemessen werden.
– Samtosa: Wir sind darauf angewiesen, dass auch andere uns verzeihen. Deshalb müssen auch wir ständig bereit sein zu verzeihen
a) unseren Mitmenschen
b) uns selbst; „denn welches Recht haben wir uns abzulehnen, wenn Gott uns annimmt?“
2. Dem ständigen Üben in Gelassenheit.
Das heißt natürlich nicht, dass das Leben passiv an sich vorbeiziehen zu lassen, sondern mit Liebe zu sich selbst zu entscheiden: Ist es sinnvoll, die Dinge so hinzunehmen wie sie sind, oder sollten sie besser geändert werden? Natürlich immer unter der Voraussetzung, sich selbst und auch sonst niemandem zu schaden.
Yoga und Christentum – das passt ausgezeichnet zusammen!
Quelle: Walter Meyer, Yoga und die Religionen, Der feinstoffliche Mensch – Die Welt zwischen Geist und Materie, Ottweiler Druckerei und Verlag GmbH